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„Ehrenamt ist sehr vielseitig“

Markus Steuerwald ist Vorsitzender des Briefmarkensammlervereins Speyer. Im Interview mit Narin Ugrasaner sagte er, warum Ihn sein Hobby so begeistert.

Herr Steuerwald, welche Aufgaben übernehmen Sie in Ihrem Ehrenamt?
Als Erster Vorsitzender des Briefmarkensammlervereins Speyer bin ich nicht nur für die Leitung und Koordination des Vereins verantwortlich – ich bin Organisator, Kommunikator, Netzwerker, Gestalter, manchmal sogar Handwerker und Moderator in einer Person. In Wahrheit muss man als Vorsitzender ein echter Allrounder sein. Man wird überall gebraucht – auf strategischer Ebene genauso wie bei der praktischen Umsetzung. Was viele unterschätzen: In meiner Freizeit investiere ich um Schnitt sechs bis acht Stunden pro Tag in die Vereinsarbeit – mit Leidenschaft, aber auch mit viel Disziplin. Das Ehrenamt ist sehr vielseitig und manchmal auch fordernd, aber genau das macht es so lebendig und erfüllen.

Was ist das Schwierigste daran?
Eine der grüßen Herausforderungen in meinem Ehrenamt ist es, Menschen überhaupt noch für ein langfristiges Engagement zu gewinnen – und dabei spreche ich nicht nur von den großen Aufgaben, sondern oft schon von kleinen Dingen: mithelfen, mitdenken, mitgestalten. In einer Gesellschaft, die immer schneller, komplexer und leistungsorientierter wird, fehlt vielen die Zeit schlichtweg die Zeit oder die Energie, sich zusätzlich noch ehrenamtlich einzubringen.

Besonders schwer ist es, junge Menschen für unseren verein zu begeistern. Denn dem Briefmarkensammeln haftet nach wie vor das Image eines „alten Hobbys“ an – etwas für Großväter in ruhgigen Räumen mit Lupen und Alben. Doch das ist nur ein Klischee. In Wahrheit ist das Sammeln von Briefmarken ein faszinierendes Fenster in die Welt: Jede Marke, jeder Briefbeleg erzählt nicht nur politische oder gesellschaftliche Weltgeschichte – sondern oft auch ganz persönliche Geschichten. Erinnerungen an einen Menschen, eine Reise, ein Ereignis, eine Zeit- Wer sich darauf einlässt, entdeckt eine ungeahnte Tiefe – aber genau hier liegt das Problem: Wie begeistert man eine Generation, die in Sekunden durch Inhalte scrollt, für etwas, das Geduld, Aufmerksamkeit und Neugier verlangt?

Warum machen Sie das gerne?
Ich liebe Herausforderungen, etwas zu bewegen – und genau das kann man mit dem Ehrenamt. Was mich antreibt, ist der Wunsch, andere zu ermutigen, sich ebenfalls einzubringen – egal ob jung oder alt. Ich sehe es als meine Aufgabe, Mitglieder zu motivieren, Ihre Talente und Ideen in den Verein einzubringen, aktiv zu werden und zu erleben, wie erfüllend Gemeinschaft sein kann.

Was war ein besonderes Erlebnis?
Ein ganz besonderes und nachhaltiges Erlebnis ist für mich die inklusive Arbeit mit Menschen mit und ohne Behinderung. Als wir den „SammlerTreff für alle – Gemeinsam Vielfalt erleben“ ins Leben gerufen haben, war mir eines klar: Wenn Inklusion mehr als nur ein Wort sein soll, dann braucht es neue Wege, echtes Umdenken – und viel Einfühlungsvermögen. Es war bewegend zu sehen, wie unser Hobby – das Briefmarkensammeln – plötzlich zu einem verbindenden Element wurde. Nicht durch klassische Alben und Kataloge, sondern durch praktische Erlebnisse, visuelle Hilfen, Piktogramme, einfache Sprache und viel Herz. Und genau hier setzt auch unser nächstes Herzensprojekt an: Aktuell arbeiten wir an der Umsetzung von „Briefpatenschaften für Menschen mit und ohne Behinderung“.

Wissen die Menschen Ihren Einsatz zu schätzen?
Die ehrliche Antwort lautet: Oft nicht.
viele Menschen sehen nur das Ergebnis  – eine Ausstellung, eine gelungene Vereinsabend, ein Projekt, das scheinbar „einfach so“ funktioniert. Das was kaum jemand sieht, ist dir enorme Aufwand im Hintergrund: monatelange Planung, Absprachen mit Partnern, Materialbeschaffung, Kommunikation mit Behörden, Gestaltung von Werbematerial, Abstimmung mit dem Vorstand, Rücksprachen mit Mitgliedern – und vieles mehr.  Vieles wird stillschweigend erwartet und kam aktiv wertgeschätzt.

Was macht Ihre Aufgabe besonders?
Die Herausforderung, alte Pfade zu verlassen und neue Wege zu gehen – mit dem Ziel, einem vermeintlich „verstaubten“ Hobby wieder frischen Atem einzuhauchen. Es geht darum, zu zeigen_ Das Sammeln von Briefmarken ist nicht nur ein Relikt vergangener Zeit – es ist ein Zugang zu Wissen, zu Emotionen und zur Geschichte der Menschheit.
Mein größter Wusch ist deshalb, das sich wieder Mehr Mitglieder – gleich welchen Alters einbringen.

Welchen Tipp würden Sie Interessierten mitgeben?
Wer sich ehrenamtlich engagieren möchte, sollte nicht zögern – sondern einfach den ersten Schritt wagen. Man muss nicht alles können oder wissen. Entscheidend ist der Wille, etwas zu bewegen, Teil einer Gemeinschaft zu sein und mit Herz und Verstand mitzuwirken. Ehrenamt verändert nicht nur das Umfeld – es verändert auch einen selbst. Es schenkt Sinn, Bewegungen, Erfahrungen und ganz neue Perspektiven aufs Leben. Gleichzeitig möchte ich an dieser Stelle ganz bewusst auch politisch werden: Es ist für kleine Vereine wie unseren zunehmend schwierig, überhaupt noch Veranstaltungen durchzuführen. Die Auflagen – sei es aus Brandschutz-. Versicherungspflicht oder organisierter Bürokratie – sind in zwischen so hoch, dass viele Projekte nicht an der Motivation, sondern an den Rahmenbedingungen scheitern. Ich weiß, dass diese Vorgaben oft nicht willkürlich saind, sondern von Bund und Ländern kommen.
Aber genau hier fordere ich ein klares Umdenken auf allen Ebenen: Es braucht realistische, vereinfachte und ehrenamtsfreundliche Regelungen – damit kulturelles und gesellschaftliches Engagement nicht am eigenen Anspruch erstickt. Zugleich wünsche ich mir von der Stadtverwaltung mehr sichtbare Wertschätzung für das Ehrenamt. Ein offener, regelmäßiger Stammtisch  für Vereine wäre ein wichtiger Schritt als Plattform für Austausch, Ideen und Vernetzung.