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Von der Ganzsache zur Postkarte

Ein Streifzug durch die bayrische Postgeschichte 1869–1873

Mit der Einführung der ersten Ganzsache betrat die Königlich Bayerische Post am 1. Februar 1869 philatelistisches Neuland. Der Umschlag U 1 zu 3 Kreuzer gilt als die erste amtliche Ganzsache Bayerns und stellt einen bedeutenden Meilenstein innerhalb der süddeutschen Postgeschichte dar. Der aufgedruckte Wert entsprach dem damaligen Porto für einen einfachen Brief bis 1 Loth im Orts- und Fernverkehr innerhalb des Königreichs Bayern.

 

 

 

Besonderheit der Ganzsache „U1“ befindet sich auf der Rückseite, da befindet sich ein Klappenstempel. Diesen gibt es in zwei verschiedenen Durchmesser (K1 = 16,5 mm) in der Mitte ein kleines Posthorn und (K2 = 18 mm) in der Mitte ein großes Posthorn.

Bei ihrer Einführung am 1. Februar 1869 stand die Ganzsache U 1 zunächst ausschließlich den Postämtern an den Standorten der Oberpostämter zur Verfügung. Eine flächendeckende Abgabe an die übrigen Postanstalten im Königreich Bayern erfolgte erst ab dem 1. Mai 1869.

Besonders reizvoll ist die frühe Verwendungsphase dieser Ganzsache, da sie in eine kurze Übergangszeit der Entwertungsarten fällt. Bis zum 9. März 1869 wurden die Umschläge noch mit den traditionellen Mühlradstempeln entwertet, obwohl diese ursprünglich ausschließlich für Briefmarken vorgesehen waren. Erst danach zog die Postverwaltung die Mühlradstempel ein und ersetzte sie schrittweise durch Orts- und Segmentstempel. Gerade diese kurze Parallelphase macht frühe Belege der U 1 für Sammler besonders interessant.
Stücke mit offenem Mühlradstempel, etwa dem offenen Mühlrad „493“ aus Speyer, sind entsprechend selten und gesucht, da sie nur in einem eng begrenzten Zeitraum und lokal verwendet wurden.

Gültig: 01.08.1850 bis 20.11.1856
Stempeltyp: sogenannter geschlossener Mühlradstempel
Stempeltext: Postamtnummer 325 (für Speyer)
Gültig: ab 1857 fortlaufend bis zur Nummer 920
Stempeltyp: sogenannter offener Mühlradstempel
Stempeltext: Postamtnummer 493 (für Speyer)

Der Einsatz von Segmentstempeln, wie er auf gezeigten Belegen der U 1 zu finden ist, ist postgeschichtlich korrekt einzuordnen. Diese Stempelform wurde in Bayern etwa bis 1871, vereinzelt sogar darüber hinaus, verwendet. Ergänzend dokumentiert der Einkreisstempel Speyer bereits den Übergang zu moderneren Stempeltypen und rundet die zeitliche Einordnung überzeugend ab.

Gültig: 1863 bis 1870
Stempeltyp: Halbkreis- oder Segmentstempel
Gültig: 1870 bis 1875

Stempeltyp: Einkreisstempel

Deutlich seltener als Umschläge sind amtliche Streifbänder aus Bayern erhalten geblieben. Da es sich um reine Gebrauchs- und Wegwerfprodukte handelte, sind sie heute vergleichsweise rar. Ihr Fehlen in einer Sammlung ist daher keineswegs ungewöhnlich und schmälert die Aussagekraft der dargestellten Entwicklung nicht.

 

Einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung moderner Postkommunikation stellen die Correspondenskarten dar, die Bayern mit Wirkung zum 1. Juli 1870 einführte – noch vor der Reichspost. Diese Karten gelten als direkte Vorläufer der Postkarte, waren jedoch zunächst ohne eingedruckten Wertstempel. Das erforderliche Porto musste durch aufgeklebte 1- oder 3-Kreuzer-Marken entrichtet werden, abhängig von der jeweiligen Beförderungsart.

 

 

Ab dem 1. Juli 1872 wurde das Porto für Correspondenskarten auf einheitlich 2 Kreuzer festgelegt, das weiterhin mittels aufgeklebter Marken zu zahlen war. Eine Correspondenskarte mit zwei 1-Kreuzer-Marken (MiNr. 22) stellt somit eine postalisch völlig korrekte Frankatur dar. Besonders reizvoll sind Exemplare mit farbigen Stempelabschlägen, etwa in Blau, die regional in den Jahren 1871 bis 1873 Verwendung fanden und keineswegs zum postalischen Standard gehörten.

Den Abschluss dieser Entwicklung bildet die Einführung der ersten amtlichen bayrischen Postkarte am 1. Januar 1873. Erstmals war hier ein Wertstempel zu 2 Kreuzer fest eingedruckt – ein bedeutender Schritt zur Vereinfachung und Rationalisierung des Postverkehrs.

Diese Ausgabe wird sammlerisch in zwei Haupttypen unterschieden:

P 1 I mit der Schreibweise werthes
P 1 II mit der Schreibweise werths

Diese kleine, aber markante Abweichung ist nicht nur orthographisch interessant, sondern spiegelt zugleich den zeittypischen Wandel der Rechtschreibung im 19. Jahrhundert wider. Gleichzeitig handelt es sich um eine drucktechnische Variante, die für Sammler von besonderem Reiz ist. Vor allem frühe Verwendungen aus dem ersten Quartal 1873, idealerweise mit klar lesbaren Ortsstempeln, gelten als besonders aussagekräftig und bilden ein solides Fundament für eine postgeschichtlich aufgebaute Bayern-Sammlung.